Diesmal trafen sich gut 40 TeilnehmerInnen auf dem Hauptplatz – nach Teilnehmerzahlen um die 20 stellt das für 2008 einen Rekord dar – es geht wieder aufwärts! Entgegen der letzen Critical Mass Radfahrten zeigte sich die Polizei jedoch diesmal nicht besonders kooperationsbereit, was aber die TeilnehmerInnen nicht beeindrucken konnte, und zu einer skurrilen StVO-konformen CM-Fahrt im „Gänsemarsch“ wurde.
Die Polizei beobachtete aus sicherer Entfernung die größer werdende Ansammlung von RadfahrerInnen. Ein Beamter ging schließlich auf die Gruppe zu und verlangte willkürlich von einzelnen TeilnehmerInnen eine Beschreibung der geplanten Fahrtroute der Critical Mass. Die Erklärung eines Radfahrers, dass es sich hierbei um keine Veranstaltung handle und es deshalb auch keine Verantwortlichen und keine geplante Fahrtstrecke gäbe, ließ der Beamte nicht gelten. Er meinte, dass es sich die TeilnehmerInnen aussuchen könnten, ob sie mit oder gegen die Polizei agieren wollen. Wenn sie trotzdem losfahren, dann würden die Polizei jedenfalls gegen jeden StVO-Verstoß vorgehen. Die Critical Mass zeigte sich unbeeindruckt – schließlich hatte sie sich zum friedlichen Radfahren getroffen und nicht zum Planen und Abstimmen einer Route – und fuhr los, dieses Mal ganz den Regeln der StVO entsprechend, hintereinander. Selbst wenn von der Polizei beabsichtigt war, der CM durch martialisches Auftreten an diesem Tag den endgültigen Todesstoß zu geben, konnte die CM durch das kreative Verhalten bei der trotzigen Abfahrt und auf der Strecke sicherlich ein tapferes Lebenszeichen von sich geben. Ironischerweise blockierten gut 40 RadfahrerInnen hintereinander fahrend StVO-konform (!) manche Kreuzungen länger als eine Masse von 40 RadfahrerInnen, die teils nebeneinander fahren würden.
Der Charakter dieser CM hat in anschließenden Diskussionen unterschiedliche Sichtweisen gezeigt. Einige TeilnehmerInnen empfanden, dass das Hintereinanderfahren der CM gemütlicher und weniger offensiv sei: es hätte weniger gefährliche Überholmanöver von aggressiven AutofahrerInnen gegeben. Die Fahrtgeschwindigkeit sei geringer, und durch das Einhalten der Rotphasen würde jeder mehr darauf schauen, ob gewartet wird, damit die CM nicht zerreißt. Die Konfrontation mit den Autos würde entschärft und manche meinen, dass das mehr PassantInnen ansprechen würde. Von anderen wiederum wurde das Hintereinanderfahren mit ständig knapp vorbeibrausenden Autos als viel gefährlicher als sonst empfunden. Die SOZIALE Konfrontation mit AutofahrerInnen sei zwar entschärft worden, die Verkehrssitutation selbst sei jedoch gefährlicher als beim Fahren in einer Masse von RadfahrerInnen.
„Critical Mass ist ein Treffen von FahrradfahrerInnen, die sich gelegentlich den Platz auf der Straße nehmen, der Ihnen im alltäglichen Verkehr durch jahrelange verfehlte Verkehrs- und Stadtplanung und rücksichtslose Autofahrer verweigert wird.“ – so wird die Critical Mass oft charakterisiert, z.B. auf www.criticalmass.at. Sich den Platz nehmen, der einem vorenthalten wird, heißt aber nicht, sich auf den Platz zurückdrängen zu lassen, der einem zugestanden wird. Das soll heißen, eine Critical Mass ist kein Gänsemarsch, sondern ein Pulk von RadfahrerInnen, die auf diese Weise aus ihrer Schwäche als einzelne hervortreten und gemeinsame Stärke und Platzbedarf demonstrieren. Daraus ergibt sich, dass die CM mindestens eine Spur ganz einnimmt und sich nicht durch rote Ampeln trennen lässt. Generell wird weltweit bei einer CM der Querverkehr von umsichtigen TeilnehmerInnen abgesperrt, damit die ganze Masse gefahrlos die Kreuzung durchfahren kann.
Dies bedeutet einen zeitweisen Bruch der Straßenverkehrsordnung. Doch dazu sei gesagt: Die StVO ist nicht den Bedürfnissen des Radverkehrs angepasst, sondern ist ein Regelwerk zur optimalen Steuerung und Flüssighaltung des motorisierten Individualverkehrs, die StVO ist radfahrerfeindlich. Krampfhafte Einpassungen des Radverkehrs in die autogerechte Stadt sind der beste Beweis dafür (siehe z.B. Nibelungenbrücke).
Das Verhalten der Polizei am 25. Juli in Linz entsprach leider nicht einem kooperativen Klima, wie es die CM benötigt. Nebeneinanderfahren auf einer Spur und keine Festlegung der Route wurde bis dato von der Polizei akzeptiert, warum diesmal nicht? Die meisten CM TeilnehmerInnen begrüßen es sicher, wenn die Polizei die CM begleitet, und damit vor einzelnen aggressiven AutofahrerInnen schützt. Dieser „Begleitschutz“ darf aber nicht an die Bekanntgabe einer Route gebunden werden.
Die Critical Mass ist eine Treffen von friedlichen FahrradfahrerInnen. Die vergangenen CM-Fahrten in Linz wie auch in Wien und Graz haben gezeigt, dass es auch bei spontaner Routenwahl für die Polizei gut möglich ist, die CM zu begleiten. Für die zukünftigen CM-Fahren wäre es wünschenswert, wenn dies auch wieder so funktioniert. Ganz besonders willkommen wäre natürlich eine radfahrende Polizeibegleitung!
8 Antworten zu “Linz: Critical Mass 25. Juli 2008”
Ok! Ich bin erstmals auch mal dabei! Freu mich schon! 🙂
hi leute,
grüße von graz nach linz!
weil ich grad die fotos gesehen hab:
sag, fährt ihr eigentlich immer schön brav hintereinander?
in graz fahren wir eigentlich immer so breit wies geht, auch wenn mal nicht so viele leute dabei sind.
nur so kann man meines wissens nach die aufmerksamkeit der passanten auf sich ziehen – und genau das ist ja das ziel, oder?
aber ich lass mich gern von euch eines besseren belehren!
cu
poidi
hi poidi,
ein freund und helfer wollte die kritische masse vor sich selbst schützen, weshalb wir uns darauf geeinigt haben, diesmal brav zu fahren. genaueres dazu wird hier in kürze zu finden sein.
lg nach graz,
maff
p.s. und nein, gänsemarsch ist nicht, was wir uns unter einer cm vorstellen. 😉
an die mitlesende polizei!
euer unglaublich stures und uneinsichtiges verhalten kotzt mich extrem an. wenn ihr schon internet lesen könnt, dann schaut doch auch einmal nach, was in anderen städten los ist, z.b. in feldkirch oder in wien.
ich hoffe ihr wollt es nicht so weit kommen lassen wie in new york:
http://www.youtube.com/watch?v=oUkiyBVytRQ
@lentos
Ich glaube und hoffe doch, dass es diesesmal eher ein Mißverständnis gab.
Der Polizeibeamte war eigentlich sehr freundlich, was ich von der Ferne mitgekriegt habe. Er hat dann aber willkürlich Leute aufgefordert, ihm eine Route mitzuteilen, was keiner konnte, ich und meine 2 Bekannten wollten ja auch einfach spontan durch die Stadt mitfahren. Als das nicht ging, war die Gesprächsbasis anscheinend leider weg…
Viele haben mir erzählt, dass es die letzen Male gut geklappt hat, dass die Polizei der CM spontan folgen konnte, oder?
Ich weiss nicht, ob ihm „Richtung Bahnhof und zurück und dann nach Urfahr“ gereicht hätte, so wie wir dann im Endeffekt durch die Stadt gefahren sind.
Bei meiner 2. CM nächstes Mal hoffe ich jeden falls auf eine fröhliche Nicht-Gänsemarsch-CM, wie in Wien, Graz und Feldkirch!!
P.S. Was mit gefallen hat, waren die unterschiedlichen Teilnehmer: einer hatte ein Kleinkind von 2-3 Jahren mit und eine ältere Dame, war sicher älter als meine Oma (ich habe ich mich aber nicht fragen getraut 🙂
ich möchte hier auf keine fall einzelne beamte angreifen, denn es ist mir schon klar, dass es sich dabei nur um menschen handelt, die befehle ausführen. das problem sind die höheren etagen, die verkehrsregelung in erster linie als dienst am auto missverstehen, und die anscheinend willkürlich entscheiden: heute machen wir der critical mass probleme, oder heute lassen wir sie in ruhe.
es ist doch allgemein bekannt, in usa, insbesondere new york sind polizisten oft schlecht ausgebildet. ich denke so was kann in österreich nicht passieren.
zum thema gänsemarsch: ja, vielleicht ist es so gefährlicher, aber auch wirksamer.
fahrt doch mal gesetztes-konform richtung st. margarethen und retour, an einem freitag-spät-nachmittag. das wär ein hammer! würd mich nicht wundern, wenn sich da ein unbeherrschter fahrzeuglenker im gegenverkehr wieder findet!